13. Oktober 2020

Stuttgart: Jeder dritte Neuwagen ist Elektro oder Hybrid, aber 445 Millionen Umsatzverlust gleicht das nicht aus

Corona-Umsatzverluste werden durch Maßnahmen der Regierung nicht aufgefangen

„Gebrauchte Pkw boomen in der Region. Bei den Neuwagen kauft sich die Regierung einen Marktanteil von 32 Prozent für Elektroautos und Hybride, aber untern Strich hilft das unseren Betrieben wenig“, bewertet Obermeister Torsten Treiber von der Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart die Zulassungszahlen von September und die Jahresentwicklung auf dem Automarkt. In der Region Stuttgart gab es bei den Neuzulassungen im September insgesamt nur einen leichten Zuwachs um zwei Prozent (Bund: plus 8,4 Prozent). „Der erhöhte Umweltbonus macht sich bei den Neuzulassungen dabei deutlich bemerkbar“, sagt Innungsgeschäftsführer Christan Reher. Allerdings werden „dreieinhalbmal mehr Hybrid-Pkw als reine Elektroautos zugelassen“. Ein Lichtblick ist für das Kfz-Gewerbe der Boom bei Gebrauchten, bei denen die Besitzumschreibungen um 16,3 Prozent zunahmen. (Bund: zwölf Prozent).

Eigentlich gibt es, aus Sicht der Kfz-Betriebe zumindest, eine gute Nachricht: Der Bestand an Pkw, Lkw, Bussen, und Sonderfahrzeugen kurz allem, was als Kraftfahrzeug einen Motor und ein Nummernschild hat, hat mit 2.001.797 Fahrzeugen in der Region erstmals die Zwei-Millionen-Mark geknackt. Über 1,66 Millionen davon sind Pkw: „Zumindest das Wartungs- und Reparaturgeschäft für unsere Betriebe ist damit bis auf Weiteres gesichert“, sagt Obermeister Torsten Treiber. Das Werkstattgeschäft ist das „dritte Bein“, auf dem das Geschäft der Betriebe und damit die Arbeitsplätze der Beschäftigen stehen. Aber Bein 1, das Neuwagengeschäft, und Bein 2, das Gebrauchtwagengeschäft, machen Sorgen.

„Die Umsatzverluste gehen derzeit in die Millionen und die Regierungsmaßnahmen haben den versprochenen Wumms nicht gebracht“, sagt Innungsgeschäftsführer Christian Reher. Beispiel Stuttgart: In Stuttgart gibt es mit 302.438 Pkw zum 30. September einen neuen Bestandsrekord. „Das ist fast eine überraschende Nachricht, denn nirgendwo wird auf das Privatfahrzeug mehr eingedroschen als hier“, sagt Christian Reher.

Aber nicht mal die neuesten Fahrverbote haben etwas geschadet. „Die Menschen steigen um“, sagt Roger Schäufele, Kreisvorsitzender und Geschäftsführer des Vaihinger Autohauses Lutz. Zur Not auch auf billige Benziner: 17.118 Euro-5-Diesel gibt es derzeit laut Zulassungsstelle noch in Stuttgart. Schätzungsweise die Hälfte davon in der kleinen Umweltzone. Letzter Stand beim Dieselbestand insgesamt: etwas über 77.000. „Jeder vierte Stuttgarter Pkw ist ein Diesel“, sagt Roger Schäufele. Der September brachte 1.143 neue Diesel-Pkw (minus 105 gleich minus 8,4 Prozent) und 1.953 gebrauchte Diesel in die Stadt, die in dieser Zahl enthalten sind.

Insgesamt stieg die Zahl der Neuzulassungen laut Zulassungsstelle um 449 oder 10,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresseptember. Die Gesamtzahl der Neuzulassungen lag damit bei 4.587. Doch „das Plus ist der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Christian Reher: „Es war das erste Plus in diesem Jahr und es ändert kaum etwas an dem grandiosen Minus in der Quartalszwischenbilanz: Unsere Betriebe haben ein Minus von fast 14.000 Pkw oder rund 30 Prozent zu verkraften. Die Mehrwertsteuersenkung hat da nicht mal ein Wümmsle gebracht und ein Umsatzverlust von rund 420 Millionen Euro im Neuwagenbereich ist existenzbedrohend.“

Elektroautos und Hybride warten dabei im Neuwagenbereich mit mehrstelligen Zuwachsraten auf: „Aber 278 neue Elektroautos (Vorjahr 102) im September plus 1.268 Hybridfahrzeuge (Vorjahr 730) sind zwar 33,7 Prozent der Neuwagen, aber nicht der Retter des Umsatzes und schon gar nicht des Klimas“, sagt Obermeister Torsten Treiber. Denn „der Geschäftsmarkt, der die Neuzulassungen dominiert, schwächelt, der Privatmarkt, der sich wie 2009 über eine Umstiegsprämie hätte ankurbeln lassen, konzentriert sich ohne Kaufanreize auf Gebrauchtwagen, weil die meisten Haushaltsbudgets, E-Autos oder Hybride nicht hergeben. Alle, die rechnen müssen, tauschen vor allem ganz alte Autos gegen nicht ganz so alte“, sagt Obermeister Torsten Treiber. Und zuweilen auch vergleichsweise neue Euro-5-Diesel gegen Benziner, „was negativ für die CO2-Bilanz und ökologischer Unsinn ist.“

3.495 Besitzumschreibungen hat die Zulassungsstelle im September vollzogen. 13,5 Prozent oder 417 Pkw mehr als letztes Jahr – alles Benziner, 1.902 insgesamt, während die Umschreibungen von Diesel-Pkw stabil bei 1.593 blieb. Unterm Strich sind die Gebrauchtwagen der „einzige Hoffnungsschimmer der Drei-Viertel-Jahresbilanz“, sagt Christian Reher: „Die liegt derzeit zwar mit 3.400 Pkw im Minus, womit so um die 25 Millionen Euro Umsatz fehlen dürften – aber hier zeigt der Trend wenigstens seit Juni mit monatlichen Zuwächsen zwischen zehn und 20 Prozent nach oben. Das könnte noch knapp zu einer schwarzen Null reichen, wenn uns Corona keinen Strich durch die Rechnung macht.“

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